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Was ein Kind für seine Entwicklung am meisten braucht, ist die Fähigkeit, mit sich selbst im Einklang zu sein, das eigene Zentrum des Daseins zu spüren und von dort aus in echten Kontakt mit anderen Menschen zu treten. Mit sich im Einklang zu sein beruht auf einer Reihe von Fähigkeiten, mit denen wir alle von Geburt an ausgestattet sind. Die beste Art, Kinder zu unterstützen, zu einer größeren inneren Autorität zu finden, besteht nicht darin, ihnen etwas Neues beizubringen. Vielmehr geht es darum, sie dabei zu unterstützen, nicht zu verlieren, was ihnen von Anfang an zu eigen ist.
Kurz gesagt: Wir sind im Einklang mit uns selbst und wirkliches Verständnis zwischen Menschen passiert dann, wenn wir uns in unserer Ganzheit spüren und zeigen und so mit anderen in Kontakt kommen.
Leider hat die Erfahrung gezeigt, dass es gar nicht so einfach ist diese Aufgabe – unsere Ganzheit zu erlangen und zu bewahren – in die Praxis umzusetzen.
Die fünf Tore zur Empathie:
Herz – Bewusstsein – Atem – Kreativität – Körper = Ganzheit, Authentizität
Das Pentagram
In Rahmen der Ausbildung werden wir dieses Thema der Ganzheit aus einer von Jes Bertelsen entwickelten Perspektive angehen. Er beschreibt fünf Bereiche oder Kompetenzen: der Körper, die Atmung, das Herz (empathische Gefühle), die Kreativität und das Bewusstsein. Diese fünf Kompetenzen und ihr Bezug zueinander werden graphisch als ein Pentagramm dargestellt.
Man könnte dagegenhalten, dass Schulen und andere Institutionen, die sich mit Erziehung beschäftigen und die sich der kindlichen Entwicklung widmen, diese Bereiche bereits einbeziehen. Wir glauben jedoch, dass das Thema mehr Klarheit und mehr Tiefe verlangt.
Im Sportunterricht werden die Kinder zwar mit verschiedenen Sportarten vertraut gemacht und bekommen durchaus einen Bezug zu ihrem Körper. Doch obwohl diese Erfahrungen positiv sind, erwerben sie dieses Körpergefühl vorrangig über Disziplin und Leistung. Deshalb führen Sport und körperliche Betätigung im Allgemeinen nicht unbedingt zu einem tieferen Bewusstsein des eigenen Körpers.
Was Herz und empathische Gefühle anbelangt, so werden sie ebenfalls in unseren Bildungssystemen thematisiert, jedoch mangelt es unserer Kultur in diesen Bereichen an hinreichendem Wissen. Die meisten von uns haben Schwierigkeiten, unsere unterschiedlichen Gefühlsregungen differenziert zu betrachten, wenn es einerseits darum geht, Grenzen zu setzen und sich selbst zu behaupten, und andererseits um mitfühlendes Verständnis und mit sich selbst in Einklang zu sein. Ferner sind wir uns nicht genügend der Tatsache bewusst, dass diese Qualitäten und Gefühle unseres Herzens trainiert werden können — und oft mit großer Wirkung!
Uns ist ebenfalls meist nicht klar, dass Kompetenzen wie geistige Klarheit, Gedächtnis, Konzentration und analytische Fähigkeiten, die in akademischen Disziplinen trainiert werden, nur einen kleinen Teil vom Potenzial des menschlichen Bewusstseins ausmachen.
Beispielsweise besitzt unsere Kultur nur geringes Bewusstsein über die Wichtigkeit und den Nutzen von Pausen. Sogar kleine, bewusst gesetzte Unterbrechungen können dazu führen, innerlich reinen Tisch zu machen. Lücken im Inhalt, die üblicherweise unseren Geist stromlinienförmig füllen und beschäftigen, können wir zu mentalen Erneuerung nutzen: Sie haben eine sofort beruhigende, auffrischende und wiederbelebende Wirkung auf unseren Geist.
In dieser Ausbildung liegt die Betonung auf dem wichtigsten und bedeutungsvollsten menschlichen Potenzial, das zugleich das bis dato vernachlässigste und unausgeschöpfteste ist. In der Theorie klingt es offensichtlich und fast banal. Angewendet jedoch öffnet es die Tore zu einem sehr tiefen und höchst effektiven Vorgang: Es geht darum, Kinder – und Erwachsene – daran zu erinnern, ihr Augenmerk nach innen zu richten, zu ihrem eigenen Zentrum. Und dies gleichermaßen von verschiedenen Blickpunkten und Bereichen aus, gewissermaßen von ihrem ganzen Wesen aus. Auch soll das Bewusstsein dieser eigenen Ganzheit während des Kontakts mit anderen andauern und für den Einzelnen spürbar bleiben.
Nicht nur Kinder haben den Kontakt mit sich selbst verloren. Viele Eltern, Lehrer und andere Erwachsene, mit denen Kinder in Kontakt kommen, haben auf unterschiedlichste Weise die Verbindung zu sich selbst verloren. Dadurch werden sie unfähig, authentisch anwesend zu sein und empathischen Kontakt mit Kindern herzustellen. Dabei ist beides unerlässliche Bedingung dafür, gute Beziehungen und gesunde Verbindungen zu schaffen.
Viele Fachleute, die beruflich mit Kindern zu tun haben, sehen dies als gegenwärtig größte Herausforderung und suchen nach Lösungen. Sie sind gegenüber Initiativen, die das Wohlbefinden und den gegenseitigen Respekt auf beiden Seiten des Lehrerschreibtischs fördern, äußerst aufgeschlossen. Wenn Kindern Respekt entgegengebracht wird, verstärken sich ihre Fähigkeiten zur Empathie, zum Anwesend-Sein und zum „Sich-selbst-bewusst-sein“ in der Beziehung zu anderen Menschen. Es ist andererseits völlig ausgeschlossen, dass ein Mensch Gefühle der Empathie und einen Sinn für Solidarität durch Bestrafung entwickelt.
Deshalb richten wir unser Augenmerk darauf, Fachleute darin zu unterstützen, in ihrer Arbeit mit Kindern mit persönlicher Autorität anwesend sein zu können. Beziehungen werden durch die beteiligten Menschen aufgebaut und aufrechterhalten. Die Kind-Erwachsenen-Beziehung wird in erster Linie vom Erwachsenen getragen. Und sie sind es, die die Qualitäten in die Beziehung einbringen müssen, die sie sich wünschen. Folglich liegt es in der Verantwortung der Fachleute, dafür zu sorgen, dass sie mit sich im Einklang sind, dass sie Kontakt zu ihrer eigenen inneren Kraft haben und ihr Urteilsvermögen fördern. Glücklicherweise gibt es in unserer Gesellschaft keine äußeren Maßregelungen mehr. Wir alle müssen lernen, uns selbst zu führen und unsere existenziellen und gesellschaftlichen Entscheidungen mithilfe unseres eigenen, zuverlässig verankerten Urteilsvermögens zu treffen.
Dies fordert von den Fachleuten nicht nur, dass sie qualifiziert sind, sondern auch, dass sie persönliche Autorität und Authentizität besitzen. Dies kann geschehen durch Anleitung und Sich-Einlassen auf Übungen, die die Verbindung zum Herzen, zum Bewusstsein, zum Körper, zur eigenen schöpferischen Kraft und zum Atem stärken. Diese Übungen helfen bereits, die Beziehungskompetenz der Fachkraft zu entwickeln. Dieser Schritt ist wiederum die Voraussetzung dafür, die Übungen an Kinder weiterzugeben. Zusätzlich müssen sich die meisten Fachleute damit auseinandersetzen, wie ihr Kontakt mit Kindern tatsächlich aussieht, besonders in schwierigen, konfliktbeladenen Situationen, die sowohl allumfassenden Kontakt zu sich selbst als auch eine Haltung der Empathie für die Kinder verlangen. Dadurch bekommt das Verhalten und das umfassende Anwesend-Sein der Fachkraft einen positiven Einfluss auf die Beziehungen zwischen beiden Parteien und ihre Entwicklung. So entsteht ein günstiges Lern- und Entwicklungsumfeld, das von einem Geist gegenseitiger Unterstützung geprägt ist.